Wenn Dein Hund nicht kastriert ist, hast Du sicher schon bemerkt, dass besonders im Frühling seine Fortpflanzungsbereitschaft deutlich ansteigt. Die teils hypersexuellen Rüden schnüffeln unentwegt mit der Nase über den Boden, sind unruhig, abgelenkt und ungehorsam, häufig in Kämpfe mit „Rivalen“ verwickelt und fressen kaum noch. Auch läufige Hündinnen werden unfolgsam und von den Männchen verfolgt oder sogar bedrängt. Viele Hundehalter*innen stellen sich in dieser Zeit die Frage, was die Vor- und Nachteile einer Kastration sind.
Nach Paragraph 6 des Tierschutzgesetzes ist es jedoch grundsätzlich verboten, Körperteile oder Organe von Wirbeltieren teilweise oder vollständig zu entnehmen bzw. zu amputieren. Kastrationen gelten rechtlich als Amputationen. Erlaubt sind diese medizinischen Eingriffe nur, wenn eine tierärztliche Indikation vorliegt, oder im Einzelfall auch, wenn die unkontrollierte Fortpflanzung eines Tieres verhindert werden soll. Vielen ist der Unterschied zwischen einer Kastration (= Entfernung der Geschlechtsorgane) und der Sterilisation, bei der lediglich Eileiter bzw. Samenstränge durchtrennt werden, nicht bewusst. Bei letzterer Option bleibt die sexuelle Funktion erhalten, es kann aber nicht mehr zur Fortpflanzung kommen. Eine dritte Möglichkeit ist die Ovarhysterektomie, bei der die Eierstöcke sowie die Gebärmutter entfernt werden.
Ein häufiges Argument für die Kastration ist das ausbleibende Risiko für Hodenkrebs und Gebärmuttervereiterungen. Wenn der Eingriff vor der ersten Läufigkeit stattfindet, sinkt zusätzlich das Risiko für Gesäugetumore. Des Weiteren bleibt Dein Vierbeiner von Scheinschwangerschaften und hormonbedingten Stimmungsschwankungen befreit und auch Prostataerkrankungen und Vorhautentzündungen werden eingedämmt.
Wenn Du Dir jetzt denkst, dass diese Vorteile ganz eindeutig für eine Kastration sprechen, solltest Du jedoch nicht die Risiken aus den Augen verlieren. Jede Narkose und Operation birgt bereits an sich eine Gefahr, doch zusätzlich kann es besonders bei einer Frühkastration zu Defiziten bei der Gelenkentwicklung kommen, die vermehrte Kreuzbandrisse und Hüftgelenksdeformationen zur Folge haben. Bemerkenswert ist auch, dass eine Schilddrüsenunterfunktion fast nur bei kastrierten Hunden diagnostiziert wird und sie vermehrt unter Gewichtszunahmen, Fellveränderungen und Ohrentzündungen leiden. 25 % der kastrierten Hündinnen, insbesondere großer Hunderassen, entwickeln später eine Harninkontinenz und auch die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Tumore (z. B. an Knochen oder Milz) nimmt nach einer Kastration zu. Wenn Dein Vierbeiner außerdem bereits zu Ängstlichkeit oder Aggressivität neigt, kann der Eingriff diese Charaktereigenschaften noch verstärken, was vermutlich daran liegt, dass sie nicht mehr nach erwachsenem Hund riechen, deshalb von Artgenossen nicht mehr ernst genommen oder sogar gemobbt werden und sich unsicher fühlen.
Dementsprechend ist es auch Wunschdenken, wenn Du dachtest dass eine Kastration Deinen Rüden plötzlich in einen total sozialverträglichen und ausgeglichenen Kameraden verwandelt, der wenig Probleme und Arbeit macht. Um mögliche – durch den Hormonverlust verursachte – Verhaltens-/Wesensveränderungen besser einschätzen zu können, gibt es seit einigen Jahren einen Hormonchip. Dieser wird unter die Haut impliziert und verhindert für einige Monate die Testosteronproduktion; die Hoden schrumpfen. Die Wirkdauer ist jedoch nicht genau vorhersehbar und es kann in den ersten Wochen nach der chemischen Kastration sogar zu einem gesteigerten Sexualtrieb kommen.