Zwischen Liebe und Ekel

Findest Du eher, dass das Schlabbern und Lecken Deines Hundes über Dein Gesicht oder Deine Hände der schiere Graus ist oder siehst Du diese Geste als pures Zeichen der Zuneigung? Diese Frage spaltet die Hundehalter*innen, da jede*r hier eine andere Auffassung hat, wie auf einen feuchten Hundekuss zur Begrüßung reagiert werden sollte. Reagieren die einen mit Abscheu und Unverständnis, gehört für die anderen das Abschlecken mitten durchs Gesicht oder über die Hände irgendwie dazu. Aber was bedeutet das Lecken des Hundes eigentlich wirklich? Der Ursprung der Antwort auf diese Frage liegt bereits in der Kinderstube und dem fürsorglichen Umgang der Hündin mit ihren Welpen.

 

Einblick in die Kinderstube

Es ist ein ewiger Kreislauf der Natur, der mit dem Trockenlecken der Welpen unmittelbar nach der Geburt beginnt. Einerseits ist das Ablecken der Neugeborenen zur Körperpflege unabdinglich, doch es trägt andererseits auch sofort zu einer engen Bindung zwischen Hündin und Welpen bei und bleibt deshalb ein festes Ritual in der Beziehungspflege. Wusstest Du, dass die Mutter die Kleinen nach jedem Säugen ableckt, um zum einen die Verdauung der Welpen anzuregen, zum anderen aber auch die Bindung und das Vertrauen zu stärken?

Klar ist, dass die Häufigkeit des Säugens der Welpen mit der Zeit jedoch abnimmt und die Hündin stattdessen mit dem Hervorwürgen von Futterbrei als wichtige Zusatznahrung für die Kleinen, beginnt. Auch dieser Vorgang wird jedoch wieder durch das Lecken begleitet, wobei es diesmal allerdings die Welpen sind, die mit ihren schlabbernden Zungen über den Mundwinkel der Mutter schlecken und damit nicht nur ihren Hunger signalisieren, sondern obendrein auch ihre Vertrautheit in die mütterliche Fürsorge sowie ihre Unterwürfigkeit zum Ausdruck bringen. So ist es nur natürlich, dass dieser Vorgang auch im gesamten Verlauf des Hundelebens ein ganz wesentlicher Bestandteil der sozialen Kommunikation bleibt.

 

Innige Kommunikation auf Hundeart

Übertragen auf die Hund-Mensch-Beziehung ist es naheliegend, dass der Vierbeiner auch Dir seine Zuneigung und sein Vertrauen auf diese für ihn so selbstverständliche Art und Weise zeigen will und Dir mit Hingabe über die Hände oder das Gesicht leckt. Mit dieser Geste zeigt Dein tierischer Freund Dir also in erster Linie, dass er Dir vertraut, sich bei Dir wohlfühlt und Dich als Rudelführer*in akzeptiert.

Das ist aber nicht alles. Abgeleitet von dem Verhalten als Welpen ihrer Mutter gegenüber, möchte Dein Vierbeiner Dich mit dem Abschlecken außerdem zu einer köstlichen Futtergabe oder einer liebevollen Streicheleinheit auffordern. Das normale Leck-Verhalten des Vierbeiners ergibt also durchaus Sinn und ist als Bindungs- und Nahrungsaspekt zu verstehen.

 

Hygienische Bedenken

Wenn Du allerdings an die letzte Gassitour mit Deinem Liebling zurückdenkst und überlegst, womit die Hundezunge dabei so in Berührung gekommen ist, ist auch die menschliche Perspektive durchaus nachvollziehbar, in der der tierische Liebesanfall – besonders im Gesichtsbereich – nicht immer auf ungeteilte Freude stößt. Besonders im Hinblick auf Kleinkinder ist hier eine gewisse Vorsicht sogar ratsam, während Hundeküsse von einem gesunden Hund, der regelmäßig geimpft und entwurmt wird, grundsätzlich aber ungefährlich sind. Schnüffelt oder schleckt Dein Vierbeiner während des Spaziergangs an Aas oder Kot, können allerdings Wurmeier oder andere Krankheitserreger ein großes Gefahrenpotenzial darstellen und eine mögliche Übertragung schädlicher Keime kann die Folge sein. Besonders, wenn Du in irgendeiner Art gesundheitlich geschwächt bist, besteht immer ein gewisses Restrisiko.

 

Untersagen ist unangemessen

Mit dem Hintergrundwissen, dass das Lecken für Deinen Hund eine ureigene Form der Kommunikation und Ausdruck einer tiefen Zuneigung und Verbundenheit ist, solltest Du ihm diese feuchte Liebkosung nicht vollständig verbieten, wenn Du ihn nicht verunsichern möchtest. Eine Möglichkeit ist es, die Abschleckereien auf Körperteile außerhalb des Gesichtes zu reduzieren. Hier kannst Du das Verhalten des Hundes steuern, indem Du ihm nur Deine Hände für seine schlabbernden Liebesbekundungen anbietest und diese anschließend mit Seife wäscht. So bleibt dem Vierbeiner die Möglichkeit, Dir weiterhin seinen überaus wichtigen und lieb gemeinten Kuss aufzudrücken, während Du dem Geschlabber im Gesicht entgehst. Eine Win-Win-Situation, bei der beide Parteien gleichermaßen glücklich sein können.

 

Was die Hundezunge noch so alles kann!

Hast Du Dich eigentlich schon einmal näher im anatomischen Sinne mit der Hundezunge beschäftigt? Sie ist das wohl vielfältigste Organ des Vierbeiners, welches mit äußerem Zungenmuskel, Zungenbein- und Zungenbinnenmuskel förmlich vor Muskulatur strotzt. Die übereinanderliegenden Muskelfasern sorgen für die enorme Beweglichkeit und bringen die Zunge in jede gewünschte Form. Sei es als Rohr, als Kelle oder als Greifer: die Hundezunge ist das Universalwerkzeug schlechthin und jederzeit einsatzbereit. Gerade einmal 1.500 Geschmacksknospen besitzt der Hund und kann damit wesentlich schlechter schmecken als wir Menschen mit unseren ca. 10.000 dieser Rezeptoren.

 

Zunge als Wärmeregulierer

Sicher hast Du außerdem schon einmal gehört, dass Hunde nur über die Pfoten schwitzen können und die Zunge deshalb besonders in heißen Sommermonaten als Temperaturregler benötigen. Durch die erhöhte Atemfrequenz beim Hecheln verdunstet Feuchtigkeit und die Temperatur sinkt. Hierbei solltest Du nicht unterschätzen, wie anstrengend dieser Vorgang für den Hund ist und, wie wichtig es ist, dass er die verbrauchte Flüssigkeit anschließend durch die Aufnahme von Wasser wieder zu sich nimmt. Anderenfalls kann sein Blut verdicken und der Körper des Tieres stellt automatisch das Hecheln ein, wodurch die Körpertemperatur bedrohlich steigt. Das kann bis zu Lebensgefahr führen, weshalb es so wichtig ist, Hunde bei hohen Temperaturen nicht allein im Auto zurückzulassen.